Nicole Waller neu in der Amerikanistik (2024)

American Cultural Studies – das ist ein weites Feld. Nicole Waller (41) ist seit Oktober 2011 an der Uni Würzburg Professorin für dieses Fachgebiet. Besonders intensiv befasst sie sich mit den Beziehungen zwischen Amerika und der islamischen Welt in Literatur und Film. Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf dem „Kulturdreieck“ Europa-Afrika-Amerika. Das Thema Gefangenschaft spielt bei ihren Forschungen eine zentrale Rolle.

„Literatur, Film und andere Kulturprodukte lassen sich nicht isoliert betrachten. Es gilt immer auch die historischen und politischen Umstände zu berücksichtigen, unter denen sie entstanden sind.“ Wenn die Professorin von ihrer Arbeit erzählt, findet man sich schnell auf einem Exkurs durch die Geschichte wieder: die Herrschaft der Araber in Spanien, die Besiedlung Amerikas durch die Europäer, der Handel mit afrikanischen Sklaven, der 11. September 2001.

Amerika und der Islam – wer denkt da nicht zuerst ans Jahr 2001? An die verheerenden Terrorangriffe auf die USA, an die seitdem angespannte Beziehung zwischen westlicher und arabischer Welt. „Das Verhältnis zwischen Amerika und dem Islam hat aber eine viel längere Geschichte. Schon mit dem Beginn der Besiedlung der Neuen Welt wurde dort ein Kontrastbild vom Islam aufgebaut“, sagt Nicole Waller. Denn ob es nun Spanier oder Engländer waren, die nach Amerika kamen: Viele von ihnen hatten zuvor Kontakt mit der islamischen Welt. Zum Beispiel während der maurischen Herrschaft in Spanien oder bei Begegnungen mit Osmanen und Nordafrikanern im Mittelmeer.

Gefangen von Osmanen, Indianern, Irakern

Captain John Smith zum Beispiel. Der Abenteurer aus England kämpfte um 1600 für die Habsburger gegen das Osmanische Reich. Dabei geriet er eine Zeit lang in die Gefangenschaft der Muslime. 1607 gehörte Smith dann zu den Gründern von Jamestown in Virginia. Die Siedler assoziierten den Islam oft mit Unterdrückung und Gefangenschaft, während Nordamerika für Freiheit stand. Nach der Unabhängigkeit der USA verstärkte sich dieses Klischee noch. „Gefangenenberichte eignen sich ideal, um die Konturen dieser Idee nachzuzeichnen“, so Nicole Waller. „Dabei interessieren mich vor allem die Situationen, in denen Leute in Gefangenschaft geraten und anfangen, sich mit der anderen Kultur auseinanderzusetzen. Denn zuweilen wird dabei der Kontrast zwischen beiden Seiten in Frage gestellt.“

Geschichten von Gefangenen gibt es bis heute. Die US-Soldatin Jessica Lynch war 2003 im Golfkrieg zehn Tage lang in irakischer Gefangenschaft; der Journalist Rick Bragg hat ihre Geschichte aufgeschrieben. „Darin finden sich viele Parallelen zu älteren Gefangenenberichten, etwa zu denen von weißen Siedlerfrauen, die von Indianern gefangen genommen wurden“, so Waller. Ein Beispiel für eine solche Parallele: Wenn die Erzählungen der weiblichen Gefangenen zu vage ausfallen, beginnen die männlichen Schriftsteller zu fabulieren – etwa in Bezug auf mögliche Misshandlungen oder Vergewaltigungen der Gefangenen.

Atlantische und Karibische Studien

Der zweite Schwerpunkt der neuen Amerikanistik-Professorin: Atlantic and Caribbean Studies. Dabei geht es um Europa, Afrika und Amerika als gemeinsamen „atlantischen“ Kulturraum. Entstanden ist dieser ab dem 16. Jahrhundert, zur Zeit der Entdeckungsfahrten und mit dem Beginn des Sklavenhandels. „Viele Relikte aus dieser Zeit stecken in den heutigen Romanen, Filmen, in der Musik und anderen Kulturprodukten“, so Nicole Waller. Diese Relikte herauszuarbeiten, ist eines ihrer Ziele.

Für Literatur aus der Karibik interessiert sich die Wissenschaftlerin dabei besonders. Zum Beispiel für den Roman „The Agüero Sisters“ (1998) von der Kubanerin Cristina Garcia, die in den USA ansässig ist. Sie erzählt die Geschichte zweier Schwestern, von denen eine auf Kuba lebt, die andere im Exil in den USA. „Afrikanische Sklaven kamen übers Meer unfreiwillig in die Karibik, Jahrhunderte später flüchten manche ihrer Nachfahren übers Meer in die USA – der Roman erzählt die alte Geschichte und die Strategien zum Überleben in der Fremde weiter. Man kann ihn aus westlicher und aus afrikanischer Perspektive lesen“, so die Würzburger Professorin.

Werdegang von Nicole Waller

Nicole Waller wurde 1970 in Frankfurt am Main geboren. Schon ihre Kindheit und Jugend waren von Interkulturalität geprägt: Der Vater arbeitete für die Lufthansa, und so lebte die Familie immer wieder auf anderen Kontinenten. Zum Abitur kam Nicole Waller nach Deutschland zurück. Hier studierte sie ab 1989 Amerikanistik und Geschichte an der Universität Mainz.

Nach dem Magisterabschluss 1994 wechselte sie in die USA. Dort absolvierte sie an der Bowling Green State University in Ohio ein PhD-Studium in Amerikanistik mit dem Schwerpunkt „Women’s Studies and Ethnic Studies“. 1998 folgte ein Masterabschluss in German Studies an der City University von New York.

1999 ging Nicole Waller wieder an die Universität Mainz. Sie war dort wissenschaftlich am Zentrum für Interkulturelle Studien tätig, 2004 absolvierte sie ihre Promotion in der Amerikanistik über das Thema Revolution und Subversion in der Karibik. 2005 übernahm sie in Mainz eine Juniorprofessur für Amerikanistik mit dem Schwerpunkt Karibikstudien und Atlantic Studies. Bevor sie nach Würzburg wechselte, vertrat sie ein Jahr lang den Lehrstuhl für Nordamerikastudien in Göttingen.

Kontakt

Prof. Dr. Nicole Waller, Lehrstuhl für Amerikanistik der Universität Würzburg,
T (0931) 31-86723, nicole.waller@uni-wuerzburg.de

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Nicole Waller ist Professorin für American Cultural Studies an der Universität Würzburg.
Foto: Robert Emmerich
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